Der Mann des Tages
Erschienen bei Literaturca
Der türkische Theatermann Haldun Taner (1915-1986) begann seine künstlerische Karriere zunächst mit Kurzgeschichten. Erst in den 1950er Jahren wandte er sich dem Schauspiel zu, das er am renommierten Wiener Max-Reinhardt-Seminar zwei Jahre lang intensiv studierte. Anschließend schrieb er vornehmlich Theaterstücke und entwickelte sich in den 1960er Jahren zu dem beliebtesten und produktivsten Bühnenautor der Türkei. Dort war Taner wegweisend für die Anerkennung des Kabaretts, aber auch für die Entwicklung des modernen und vor allem des epischen Theaters. Seine Bühnenwerke und Erzählungen, stets im großstädtischen Milieu angesiedelt, sind von feinsinnigem Humor und Spott geprägt und zeichnen sich durch eine satirisch-kritische Betrachtung der sozialen und politischen Verhältnisse in der Türkei aus.
Dieser Band, der ein Einblick in das Schaffen Haldun Taners vermitteln möchte, beginnt mit dem Stück Der Mann des Tages, seinem Erstlingswerk, das heute zu seinen bekanntesten Bühnenwerken zählt. Es handelt davon, wie ein im Volk beliebter Professor von einer Partei gedrängt wird, sich für sie politisch zu engagieren, um eine anstehende Wahl zu gewinnen. Taner zeigt hier auf, wie der einzelne im politischen Betrieb instrumentalisiert und zwischen den Parteimühlen zerrieben werden kann.
Um einen Einblick in das erzählerische Werk Taners zu geben, wurden zusätzlich einige Kurzgeschichten in diesen Band aufgenommen. Manche sind besonders abgründig und komisch, andere haben einen eindeutigen Deutschlandbezug, in denen er seine dreijährige Studienzeit im Heidelberg der 1930er Jahre verarbeitete. Den Abschluss bilden einige ausgewählte Kolumnen, die entstanden, als Taner 1980 für ein Jahr in Berlin weilte. Diese Kolumnen veröffentlichte er zunächst in der Zeitung Milliyet und brachte sie später gebündelt als Berliner Briefe heraus. Dort verarbeitete er seine Erfahrungen und Eindrücke in Deutschland, mit dem er zeitlebens sehr verbunden war, und vermittelte dem türkischen Leser aktuelle Tagespolitik aus seiner Sicht und ging darüber hinaus vor allem auf die deutsch-türkischen Beziehungen und die Situation der türkischen Gastarbeiter ein.